Zügig fahre ich durch das abgelegene Bergdorf in Richtung der Skilifte Obersaxen in Graubünden. Meine Tochter wird dort bald ein wichtiges Skirennen fahren. Auf einmal kommt mir ein weißer Pickup entgegen. Die aufgehende Sonne blendet mich, aber ich erkenne die Milchkannen auf der Ladefläche. „Das ist genau der Bauer, der uns vor zwei Tagen so herzlich im Dorf angesprochen hat“ sage ich zu meinem ältesten Sohn, der auf dem Rücksitz sitzt. Ich erinnere mich an das kurze Gespräch und meinen Wunsch, ihn nochmals zu treffen, um ihn zu ermutigen. Das ist der Moment!
Ich zögere kurz, fahre weiter, gehe dann aber dem Impuls nach und wende unser Auto. Weit und breit kein Pickup. Ich fahre durch das Dorf, ohne ihn zu sehen. Dann: das weiße Auto fährt mit den Milchkannen ins Tal hinunter. Wieder zögere ich: Skirennen oder Bauer mit Milchkannen? Ich drücke aufs Gas und fahre – dem Impuls folgend – den Berg hinunter. Der Bauer muss wegen eines entgegenkommenden Autos abbremsen, ich hole auf und fange an zu hupen.
Sofort fährt der Pickup zur Seite, hält an und der Bauer läuft freudestrahlend auf mich zu. „Bist du mir extra nachgefahren? Entschuldigung, ich bin total dreckig!“ Ich lege ihm kurz die Hand auf die Schulter und erkläre ihm, dass ich einfach den Wunsch hatte ihn nochmals zu treffen und zu ermutigen. Nochmals betont er, dass er so dreckige Hosen hat. Ich beruhige ihn und gebe ihm eine „Gott is ma untakemma“-Visitenkarte und erzähle von den Hoffnungs-Geschichten auf der Webseite. Nachdem wir unseren Kontakt ausgetauscht haben, drehe ich um und fahre die Bergstraße wieder hoch.
In Gedanken noch bei der Begegnung, ruft auf einmal mein Sohn von hinten im Auto: „Papa, da ist grad ein Lamm geboren worden! Genau in dem Moment, als wir an den Schafen vorbeifuhren, ist das Lamm aus der Mutter gefallen.“ Ich fasse es nicht, halte an, fahre zurück, und tatsächlich sitzt dort ein von der Geburt nasses Lamm. Das Mutterschaf schleckt es ab.
Diese Erfahrung resoniert in den letzten Wochen zutiefst in mir. Lassen wir uns in unserem betriebsamen Alltag unterbrechen? Sind wir bereit umzukehren und Menschen nachzugehen? Bereit, zur Not auch mal zu „hupen“? So wie unser Hirte Jesus, der alles einsetzt, um das verlorene Schaf zu finden? Sogar 99 stehen lässt, die dachten, dass sie nicht verloren seien. Ich selber erlebe immer wieder, wie Jesus mich in meinen Verlorenheiten sucht. Ich muss immer wieder von ihm gefunden werden – mit all meinen Fehlern und Unzulänglichkeiten. Sind wir auch bereit dazu, Menschen anzunehmen, die „dreckig“ und „verloren“ sind oder sich so fühlen? So, wie Jesus es tut? Und da bin ich überzeugt: Wenn wir das tun, werden wir sehen, wie neues (geistliches) Leben entsteht, selbst beim Vorbeifahren! Sind wir bereit dafür? Jesus ruft uns in seinen Hirtendienst, um mit ihm das Verlorene zu suchen!
(Matthias Langhans)